Taufe Jesu
Das kleinste der Bildfenster erinnert daran, dass in dieser Seitenkapelle in der Südwestecke der Kirche einmal das Taufbecken stand, das jetzt im Haupteingang der Kirche als Weihwasserbecken dient. Und als das Fenster, dem der Betrachter gewöhnlich am nächsten kommt, zeigt es, wie fein alle Fenster gearbeitet sind, auch die, die man nur aus größerer Entfernung sehen.
Das Fenster zeigt eine Szene mit doppelter Handlung. Zum einen das Übergießen Jesu mit Wasser durch Johannes den Täufer. Zum anderen das geheimnisvoll-offenbare Geschehen, das in den Evangelien selbst bildhaft geschildert wird: Dass der himmlische Vater, dargestellt im Gestus des Sprechenden, Jesus als seinen geliebten Sohn bezeugt und der Heilige Geist in Gestalt einer Taube auf ihn herabkommt.
Was ist im Einzelnen zu sehen? Jesus steht bis zu den Waden im Jordan mit einem weißen Tuch halb bekleidet. Ein rotes Tuch liegt am Ufer. Jesus hat die Arme über der Brust gekreuzt. Sein Gesicht drückt Innigkeit und Demut aus. Denn er, der ohne Sünde war, läßt sich wie die Sünder als Zeichen der Umkehr taufen. Der Täufer, bekleidet mit dem für ihn charakteristischen groben Gewand aus Kamelhaar, einem Gürtel und mit einem übergeworfenen roten Tuch, kniet am Ufer und gießt mit einer Muschel Wasser über das Haupt Jesu. Sein Gesicht drückt konzentrierte Aufmerksamkeit für die Handlung und die Person Jesu aus. In seiner Linken hält er einen Stab mit einem Querholz am Ende in Kreuzform. Daran ist ein Spruchband befestigt mit den Worten: „Ecce agnus dei“, zu Deutsch: „Seht, das Lamm Gottes!“ (Joh 1,36) Es sind die Worte, mit denen Johannes der Täufer wiederholt auf Jesus hingewiesen und zugleich angedeutet hat, dass dieser wie ein Opferlamm zur Sühne für sein Volk und alle Menschen sein Leben hingeben wird.
Dass der Täufer auf dem Bild kniet, ist eine künstlerische Erfindung. So kommen seine Worte zum Ausdruck, die von allen Evangelien überliefert werden: Christus ist der größere, und ich bin nicht einmal wert, ihm die Schuhe aufzuschnüren. Ich taufe nur mit Wasser, er aber wird euch schon bald mit heiligem Geist und mit Feuer taufen. – Johannes trägt einen Heiligenschein, „denn unter allen Menschen hat es keinen größeren gegeben als Johannes den Täufer; doch der Kleinste im Himmelreich ist größer als er.“ (Mt 11,11) Er ist der Mann auf der Schwelle, Zeuge einer Zeitenwende. Mit der Ankunft Christi erlebt er, dass sich die Zeit erfüllt und die Zeit Christi beginnt.
Auch die drei göttlichen Personen tragen Heiligenscheine, in welche aber ein Kreuz eingezeichnet ist. Diese Übereinstimmung ist ein Hinweis auf die Dreifaltigkeit Gottes und lässt an den späteren Taufauftrag denken, den der auferstandene Herr den Aposteln gibt: „Tauft alle Menschen auf den Namen des Vater und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ (Mt 28,19)
Der Bereich des Vaters ist durch eine Reihe kleiner Wolken abgetrennt, Zeichen für die Erhabenheit Gottes, die aber nicht Ferne bedeutet. Denn gerade bei der Taufe Jesu öffnete sich der Himmel und Gott offenbarte sich in nie zuvor gehörter Weise als der nahe und liebende Vater. Dabei kam Gottes Geist in Gestalt einer Taube auf Jesus herab.
Das Heilsgeschehen der Erlösung durch Christus, das sich im Leben Mariens und in dessen Darstellung in den Marienfenstern spiegelt, dieses Heil wird allen Menschen angeboten und in der Taufe zuteil. Durch die Verkündigung der Kirche, durch Glauben und Taufe können Menschen zu Gottes geliebten Kindern in Christus werden. Wie bei der Taufe Jesu öffnet Gott über ihnen den Himmel und spricht sie als geliebte Töchter und Söhne an. So reich beschenkt dürfen und sollen sie Gottes Heil weitergeben, das heißt mit Wort und Tat verkünden.